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Kiffen für’s Bruttosozialprodukt – Der Rausch als Wachstumsmarkt

Erinnert sich jemand an den Hit der Spider Murphy Gang?
‚Ab jetzt wird wieder in die Hände gespuckt/wir kiffen für‘s Bruttsozialprodukt‘
so klingt es heute aus manchen Chefetagen.

Glaubt man den beinahe täglichen weltweiten Meldungen zu Cannabis, sei es zum medizinischen oder zum Freizeitgebrauch, zunehmend im Wirtschaftsteil, brechen wahrhaft grüne Zeiten an. Wie im Rausch werden Milliardenumsätze, zig Millionen an Steuereinnahmen, Millionen Tonnen Ernte, Millionen Liter Cannabisöl, Millionen Patienten und nicht zuletzt Millionen Freizeitnutzer beschworen.

Längst stehen sie in den Startlöchern, die Big Player. Die Brauereien und die Tabakindustrie versprechen sich Milliarden Dollar oder Euro an neuen Umsätzen, neue Zielgruppen, neue Produkte. Keineswegs zurück stehen die Staaten, insgeheim – je unentschlossener desto insgeheimer – sie kalkulieren mit Milliarden an neuen Steuern.
Längst haben kanadische Firmen Finger nach Dänemark, Griechenland und Deutschland ausgestreckt, um nur einige Länder zu nennen. Fast ganz Europa ist trotz ungebrochenem Repressionseifer bezüglich der Freizeitnutzung mittlerweile auf den medizinischen Zug aufgesprungen.
Längst werden faktisch Claims abgesteckt, Investitionen getätigt, die aus wirtschaftlicher Sicht nur Sinn machen, wenn es nicht beim medizinischen Gebrauch und ebenso wenig bei der kleinen Zahl von Legalisierungsstaaten bleibt.
Alle Investoren bauen auf die Legalisierung. Dass zukünftig Dutzende Millionen in den westlichen Staaten potenzielle Konsumenten werden.
Sind das nur Hirngespinste?
Bekanntlich betäubt Cannabis selbst und offensichtlich besonders stark bei Nichtgebrauch.
Das kritisierten viele jahrzehntelang am weltweiten Drogenkrieg, an den Drogenkriegern und deren völlig realitätsfremden Unterstellungen. Nun treibt der verheißungsvolle Duft der scheinbar so nahen Cannabismilliarden schwergewichtige Akteure wie Brauereien und die Tabakindustrie zu Planspielen.
Das verwundert niemand wirklich. Behaupteten nicht die Drogenkrieger immer schon, dass wer mit einer Droge handelt, auch mit anderen Drogen handelt?
Doch diesmal reden wir nicht über den illegalen Schmuddelmarkt, den bösen Dealer, der sich neue Kundschaft heranzieht und stetig an härtere Droge bringen will, diesmal reden wir über bunte Flipcharts, rasant ansteigende Kurven, nüchtern funkelnde Konsumtempel und stark geweitete Pupillen bei den Chefs börsengelisteter Big Players.

Diesmal reden wir über den legalen Konsum. Den guten Konsum. Der unser Wirtschaftssystem begründet und antreibt. Und darüber was wiederum diesen Konsum antreibt: Gier, die sich nun auch hier völlig legal und akzeptiert Bahn bricht. Wenn die großen Wirtschaftsbosse ernsthaft erwägen und prüfen lassen, ins Cannabisgeschäft einzusteigen, ist das Ende der Repression besiegelt.
Wahrscheinlich sind die momentanen Versorgungsengpässe, weil nämlich die Nachfrage viel größer ist als gedacht, selbst in Kanada, nur Anfangsschwierigkeiten einer neuen Wachstumsindustrie; nur Startprobleme eines noch ungeübten Wirtschaftsmarkts, die diese zu Massenproduktion, Überfluss und nie versiegenden Nachschub fähige Wirtschaft bald überwunden haben wird.
Doch was passiert, wenn es keine Engpässe mehr gibt, nur immer mehr neue berauschende Produkte auf Basis ständig neu legalisierter Substanzen, um der Sättigung des Marktes und damit dem Stillstand entgegenzuwirken?
Wenn sich das Mantra des Wachstums auch bei einstmals illegalisierten Substanzen durchsetzt?

Wollen wir die den Raubtierkapitalismus am Rausch der Milliarden verdienen lassen?

Ist die Losung tatsächlich, ‚No Drugs – no Future‘ (Günter Amendt 2003); brauchen unsere Enkel angesichts der drohenden Klimakatastrophe das Soma (Aldous Huxley 1932) zur milliardenfachen Ruhigstellung? Kommt die schöne neue Welt?

Wer weiß das schon? Unzweifelhaft gilt jedoch:
Alles so schön bunt hier
(Nina Hagen 1978).
Artwork: Littlelvan / twenty20.com

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