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World Wide Weed – Mexico

Legalisieren im drohenden Mauerschatten?

Kann die neu gewählte Regierung Mexikos mit reformierten Drogengesetzen den irrsinnigen Zerstörungen einer vergeblichen Prohibition Paroli bieten?
Kann sie den völlig ausgeuferten und uneindämmbar erscheinenden Drogenkrieg mit Zehntausenden Opfern Einhalt bieten?

Massive Drogeneinfuhr aus und durch Mexiko

Operation Pipeline Express drug arrests

Federal, state and local authorities announced the results of „Operation Pipeline Express,“ a 17-month multi-agency investigation responsible for dismantling a massive narcotics trafficking organization in the Arizona’s western desert. In this photo a Homeland Security assault vehicle prepares for Operation Pipeline Express
Über Mexiko wird primär im Kontext Drogenkriminalität und /oder Trumps Mauer berichtet, denn zu Mexiko will US-Präsident Trump seine 5 Milliarden Dollar teure Mauer bauen. Deren Notwendigkeit er mit massiver Drogeneinfuhr über die Südgrenze der USA begründet, obwohl diese ganz überwiegend über die Häfen erfolgt. An der also eine Mauer wenig ändern würde. Vermutlich genauso wenig wie an dem von Trump unerwähnten Zustrom US-amerikanischer Waffen in die andere Richtung.

Failed State

Mexiko gilt als ‚failed state‘ – als ein Staat in dem die staatlichen Organe derbe versagen.
Überdies ist Mexiko aktuell eines der vielleicht plakativsten und abschreckendsten Beispiele, welchen verheerenden Auswirkungen die Prohibition in einem Land haben kann.

Prohibition destabilisiert Mexiko

Unbestreitbar ist, dass die illegale Versorgung des US-Marktes das politische System Mexikos destabilisiert, den gesellschaftlichen Frieden untergraben und die Wirtschaft vergiftet hat.
Außerdem haben Zehntausende Mexikaner ihr Leben gelassen in einem uneindämmbar erscheinenden Drogenkrieg. Dazu kommen noch Zehntausende Verschwundene, Zehntausende unidentifizierte Leichen sowie die höchste Rate der Gewalt gegen Frauen weltweit sowie on top eine grassierende Korruption und die Verstrickung in Menschenrechtsverletzungen nahezu aller staatlichen Organe.

Alles auf neu?

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Einen gewissen Hoffnungsschimmer verstrahlt nun die neu gewählte Regierung von Obrador.
Während der Vorvorgänger von Obrador, Calderon den Krieg gegen Drogen vor gut 12 Jahren maximal eskalierte und damit im Ergebnis einen nie dagewesenen Drogenkrieg lostrat, danach dessen Nachfolger, Nieto, sich laut Vorwürfen des frisch zu lebenslang verurteilten Drogenbosses El Chapo mit rund 100 Millionen Dollar bestechen ließ, will die neue Regierung einen sozialen, gesellschaftlichen und politischen Neuanfang.

Reform der Drogengesetzgebung

Journalists Protest against rising violence during march in Mexico City
HUndreds of Mexican journalists silently marched in downtown Mexico City in protest of the kidnappings, murder and violence against their peers throughout the country. The march started at the Angl of Independence monument and proceeded down Reforma Avenue to the Ministry of the Interior headquarters where banners draped on the building demanded justice and protection for journalists against violence perpetrated by drug cartels. A view as the marche move on Reforma Avenue.
Ein Hauptbestandteil dieses Neustarts ist eine Reform der Drogengesetzgebung. Eine überfällige Reform, nicht zuletzt aufgrund der massiven politischen wie gesellschaftlichen Zerstörungen der letzten beiden Jahrzehnte. Zerstörungen erfolgt im Dienste einer vergeblichen Prohibition, in einem alles verschlingenden Drogenkrieg.

Erwachsene dürfen kiffen

Eine Reform, die sozusagen ‚genudged‘ wurde durch Urteile des höchsten Gerichts Mexikos. Denn das hatte im Oktober zum mittlerweile fünften Mal in unterschiedlichen Fällen festgestellt, dass Erwachsene ein Grundrecht auf persönliche Entwicklung haben – auch im Hinblick auf Cannabisnutzung. Die mexikanische Note daran ist, nach dem fünften Urteil dieser Art schreibt das mexikanische Rechtssystem für alle Gerichte des Landes diese Sichtweise zwingend vor.
Ergo sind Freizeitkonsum, Besitz und Grow nun im Grunde bereits höchstrichterlich abgesegnet – jedoch Kommerzialisierung oder Handel genauso illegal wie Verhaftungen, Anklagen und Geldbußen weiter normal. Solange keine offizielle Gesetzesreform erfolgt.

Aufschlag Obrador

Mit dem Versprechen einer Legalisierung weicher Drogen hatte der linksgerichtete Obrador Mitte 2018 die Präsidentschaftswahl gewonnen und Ende 2018 sein Amt angetreten. Bereits davor hatte seine Partei einen ersten Würfel zur Legalisierung von Cannabis geworfen und einen Gesetzentwurf über die kommerzielle Produktion, den Verkauf und Konsum von Cannabis für medizinische und Freizeitzwecke ins Parlament geschickt. Mit der Mehrheit in beiden Parlamentskammern sollte eigentlich nichts mehr schief gehen. Sollte eigentlich, denn bislang ist nichts passiert. Eine 90 Tage-Frist läuft.

20 Pflanzen Eigenanbau

Würde der Gesetzentwurf beschlossen, dürfen registrierte erwachsene Personen bis zu 20 Pflanzen anbauen, legal auch draußen rauchen, freilich unter dem Dach einer strengen staatlichen Regulierung. Offizielles Ziel ist eine verantwortungsvolle wie strikte Regulierung von Produktion und Verkauf.

Macht der Drogenkartelle untergraben

Befürworter hoffen, durch den Schritt könne die Macht der Drogenkartelle eingeschränkt und der mit zumeist US-amerikanischen Waffen ausgetragene blutige Drogenkrieg eingedämmt werden. Mit dem Schritt wäre Mexiko nach Uruguay und Kanada das dritte Land weltweit, welches Cannabis vollständig legalisiert hätte.

Mexit – Wagt Mexiko den Exit aus der Prohibition?

Doch wie gesagt, über den Gesetzentwurf abstimmen, müssen sie dann in Mexikos Parlament schon. Zudem betrifft der Gesetzentwurf Cannabis, nicht Kokain, welches als Hauptschmuggeldroge Mexikos die Kartelle weiter reich und mächtiger macht.

Update:

Nach Sommerpause kommt Legalisierungsrundumschlag

Präsident Obrador schlägt die Entkriminalisierung aller Drogen und eine legale Versorgung auf Rezept vor. Strafrechtliche Sanktionen für den Drogenbesitz sollen beseitigt und Drogenabhängige in Drogenbehandlungsprogramme umgeleitet werden. Weiter schlägt er vor, Konsumenten eine “verschreibungspflichtige Dosierung” anzubieten und argumentiert, es sei wichtig, eine “nachhaltige wirtschaftliche Alternative” für Menschen zu schaffen, deren Lebensunterhalt auf dem derzeit illegalen Drogenmarkt basiert. Es ist denkbar, dass die Vorschläge im kommenden Jahr Realität werden. Der Vorschlag wird allgemein positiv bewertet, aber einige halten die sprachliche Pathologisierung von Drogen konsumierenden Menschen als behandlungsbedürftig für problematisch. Obwohl Cannabis aller Wahrscheinlichkeit Bestandteil des weitreichenden Entkriminalisierungsrundumschlags sein dürfte, bleibt ein von der Regierung eingebrachter Gesetzentwurf zur Legalisierung und Regulierung von Cannabis im Kongress weiter ungeprüft. Überdies hatte ein Urteil des mexikanischen Obersten Gerichtshofs, welcher das Konsum- und Besitzverbot von Cannabis zum Eigenverbrauch als verfassungswidrig erachtete, der Regierung eine Frist bis Oktober gesetzt, um die Bundesgesetze entsprechend zu ändern.

Photo: Paul Caffrey / www.dvidshub.net
Photo: knightfoundation (Flickr/5568594111) CC BY-SA 2.0

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